Hans-Jörg Hennecke ist unerwartet verstorben: Linden trauert um seinen „Lindemann“

Hans-Jörg Hennecke„Siebzig ist alt genug – später wird die Sache ungewiss. Jugend und Heiterkeit könnten verschwinden, ehe man sich’s versieht. – und was bleibt dann noch übrig? Nur ein Tod bei lebendigem Leibe, der weder Wohltäter noch Befreier ist.“
Mark Twain (er wurde 74)

Hans-Jörg Hennecke wurde 71, er verstarb in der Nacht von Himmelfahrt auf Freitag, 30. Mai 2014.

Am Samstag, 31. Mai erreichte die Redaktion die traurige und lähmende Nachricht: Mitten bei der Arbeit an der an dieser Stelle seit Jahren regelmäßig erscheinenden Kolumne ist der Autor Hans-Jörg Hennecke in der Nacht vom Himmelfahrtstag auf den Freitag unerwartet verstorben. Er war seit einiger Zeit im Krankenhaus und nach einigen Operationen auf dem Weg der Besserung. Eine schöne Sommerzeit zusammen mit seinen zahlreichen Freunden und in seinem Garten am Lindener Berge war ihm leider nicht mehr vergönnt.

Hans-Jörg wurde am 31. August 1942 in Vahrenwald geboren. Seine Kindheit in Wülfel begann in den ersten Nachkriegsjahren mit Unterernährung. Aber die Care-Pakete von Amerika-Hilft haben ihn auf den richtigen Wachstumspfad gebracht, wie er uns Nachbleibenden beiläufig in Erinnerung ist. Nach der Realschule hat er sich zum Verlagskaufmann ausbilden lassen und ist dann mit einem Redaktionsvolentariat bei der Neuen Presse noch tiefer eingetaucht in das damals analoge Zeitalter der Schreibmaschine und des Bleisatzes. Sein gesunder Ehrgeiz hat ihn in jungen Jahren zum Chefredakteur eines bundesweiten Jugendmagazins werden lassen. In der Summe seiner Berufsjahre war er immer auf irgendeine Weise Publizist. Er war Öffentlichkeitsarbeiter und PRMann bei Zeitschriften, Verbänden und beim Kulturamt Hannover. Hier lag sein Schwerpunk im Bereich der Stadt- und Stadtteilkultur, besonders im heimischen Kiez Hannover-Linden. Er entwickelte historische Stadtteilspaziergänge und veröffentlichte zahlreiche Satiren und Kurzgeschichten und Theaterstücke. In den vergangenen sieben Jahren schrieb er regelmäßig seine Kolumne im Lindenspiegel.

Hans-Jörg gesellte sich als Eckrentner zu jenen ehrenamtlichen Senioren, die ausweislich eines immer vollen Terminkalenders eine Bürgergesellschaft mit Sinn füllen. Also eine Art Mischung seiner bekannten Figuren Pastor Sauerbier und der designierten Pensionäre Lindemann und Stokelfranz. Damit hatte er die Schauplätze seines publizistischen Wirkens auf Linden konzentriert; in einer Art topographisch-biographischen Empathie. Das Schreiben ließ ihn nie los; es definierte ihn.

Wer, wie Hans-Jörg Henneke, schon in jungen Jahren einmal die Frage gestellt hat, was den Hütten zu wünschen und den Palästen zu kürzen sei, wer die Frage der Gerechtigkeit nicht dem Schicksal oder dem Freien Markt überlassen wollte, wer den Mut aufgebracht und dabei auch vergügen gespürt hat, nach Erhalten und Verändern zu fragen, wer in die Geschichte blickte und dabei die eigene Zeit reflektierte, dem schwirrte natürlich der Kopf sein Leben lang, bei der Anstrengung und den Freuden, für all das ästhetische Lösungen zu suchen. Mit seinem wachen Verstand hat er nie aufgehört, der Vernunft des Herzens zu folgen.

In den sieben Jahrzehnten seines Lebens änderte sich die Welt stärker als in jeder anderen Periode vergleichbarer Dauer. Hans-Jörg gehörte zur ersten Generation, die den historischen Moment durchlebt hat, als alte Regeln und Konventionen, die Menschen bislang in Gemeinwesen, Gesellschaften und Systemem zusammengebunden und geteilt hatten, ihre Geltung verloren. Mit seinem Alter Ego, dem Lindemann, brach er diese Erfahrungen auf den Lindener Kiez im Strudel von Globalisierung und digitaler Revolution herunter. Oma Kasten, Stokelfranz und eben Lindemann hinterfragten satirisch, zynisch und sarkastisch das geschäftsmäßige Einerlei unserer täglichen Existenz.

Grantelnd folgte Hans-Jörg in den letzten Jahren seiner Philosophie: Das Alter ist nicht für die Alten gemacht und erkannte als sein Credo: Jeder möchte lange leben, aber niemand möchte alt werden. Nun ist er diesen Maximen gefolgt und wir stehen etwas hilflos, aber mit der Aufarbeitung seines umfangreichen Lebenswerkes beauftragt, in unserer realen irdischen Existenz.

© Text und Bild: Hans Erich Wiesemann

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