Lindemann & Stroganow

Hans-Jörg Hennecke und Kersten Flenter

Nietzsche ist tot – Das Diesseits und Jenseits der Fössestraße

Video: Christine Kraatz-Risch - Musik: Wohnraumhelden

Nietzsche ist tot

Lindemann hat sich daran gewöhnt, große und kleine Katastrophen via Fernsehen in seine Wohnung zu lassen. Manches schneidert er sich dabei nach seinem eigenen Geschmack zurecht. Deutschland sucht den Superstar ist für ihn das Politbarometer, wo Promis der untersten Ansehensskala Punkte sammeln. Politiker, die Schmuddelkinder der Nation, rangieren hier mit zuweilen hohen Noten in der Gunst des Publikums. Wie kann das sein? Lindemann durchschaut das, hier ist unter den Blinden der Einäugige König. Echte Popularität quer durch die Nation haben andere erworben, die vor den Strömungsbildern einer Wetterkarte Hochrechnungen verkaufen, die an Treffergenauigkeit jeder Wahlprognose weit unterlegen sind. Kachelmann und Plöger gegen Merkel und Steinmeier – das ist wie Bayern München gegen Linden 07. Es nervt niemanden mehr, dass die vermeintlich leicht verständlichen Ereignisse regelmäßig aus dem Ruder laufen und unser Leben verändern. Da trifft eine Tiefdruckzone auf die Maggellansche Wolke und im Ergebnis schneit es Mitte Juni. Vielleicht nicht hier, sondern irgendwo in Hannover. Vielmehr kann Kachelmann auch nicht verklickern. Aber: Volkes Stimme liebt die Wetterfrösche und verachtet die Politiker. Nachbar Stokelfranz ist Volkes Stimme und löst erklärend den Gordischen Knoten: „Was die Wetterfrösche verkünden, kann jedenfalls passieren“.
Dann gibt es da noch die Börsennachrichten. Ihre eigene Logik ist atemberaubend. Z.B. : Die EZB senkt den Zins und VW schüttet keine Dividende aus, schon reagiert die Wall Street verbittert und dein Geld ist weg. Nun verdanken wir Karl Marx nicht nur die Erkenntnis, dass der unsachgemäße Umgang mit seiner Lehre zu Montagsdemonstrationen und Neoliberalismus führt. Er hat auch vehement verkündet, dass Materie nicht verschwinden kann. Nicht glaubwürdig? Nehmen wir eine Zigarette: Vor dem Rauchen ist sie sichtbar, nach dem Rauchen nicht mehr. Ist sie verschwunden? Als Zigarette schon, aber nicht als Materie. Sie hat ihre Form verändert. Aus Papier und Tabak sind Asche und Energie geworden. Genauso ist das mit deinem Geld. Als persönliche Altersvorsorge ist es verschwunden, aber als kleinster Bestandteil im Milliardenvermögen eines Finanz-Moguls bleibt es selbstverständlich erhalten.
Sie finden das alles so furchtbar ungerecht und würden am liebsten laut herausschreien: Gott ist tot? Tun sie es nicht. Der Spruch stammt von Nietzsche und ist als Aussage nicht komplett. Der Philosoph, der im Wahnsinn endete, meinte: Gott ist widerlegt, der Teufel nicht. Überlegen Sie sich also, auf wen Sie sich da einlassen. Übrigens: der Allmächtige behält sich auch hier das letzte Wort vor. Er sagt: Nietzsche ist tot. Das immerhin wird Ihnen jedes Lexikon bestätigen.

von Hans-Jörg Hennecke

Das Diesseits und Jenseits der Fössestraße

„Schschttimmungggg!!!“ rief Stroganow. „Demokratie!“ grölte ich. „Schnauze“, antwortete Stroganow, „die Demokratie ist eindeutig eine der beschissensten Organisationsformen der Menschen. Sie hindert uns daran, widerwärtigen Minderheiten auf die Fresse zu hauen.“ „Oder widerwärtigen Mehrheiten. Wer weiß das schon so genau ...“ Ich kitzelte Stroganow am Nasenflügel. „Nun los, sag es schon – ist es Ausdruck einer demokratischen Meinungsbildung, wenn man Nazi-Seiten verlinkt?“ „Man muss sich doch ein Bild machen können.“ „Klar. Und dazu ist besonders notwendig, in einem Printmedium einen Link zu Nazi-Seiten im Internet zu setzen. Ich hab auf die Zeitung geklickt und geklickt, aber nichts ist passiert. Wie dämlich ist das denn?“ „Nun schweig mal stille. Und pass auf, dass du dich in diesen Tagen nicht falsch positionierst. Ruckzuck hast du nen Stammtisch im Schädel.“ „Also lieber Fresse halten?“
„Unterschätz das nicht. Die Lage ist ernst. Es geht doch nicht um Nazis, es geht um Anzeigenkunden. Die Branche ist hart, die Budgets sind knapp.“ „Stimmt“, sagte ich, „Linden fraktioniert sich. Die unabhängigen Medien zerfleischen sich gegenseitig.“ „Und wen freut`s? Die Nazis?“ „Und die Madsack-Presse.“
Übrigens, bevor wir hier ganz den Blick fürs Wesentliche verlieren: Die Nazis sind schon da. Ich hab sie an Himmelfahrt gesehen und wieder einmal gewusst, warum sie in Ostdeutschland von vornherein „Herrentag“ dazu sagen. Sie zogen grölend durch Linden, Deutschlandfahnen schwenkend, und sahen ganz baff zu, wir wir uns gerade gegenseitig verprügelten. Erinnert mich an eine Szene aus Asterix, als die Römer ins kleine gallische Dorf einziehen, in dem sich die Bewohner gerade gegenseitig die verfaulten Fische um die Ohren schlugen. Nein, Freunde, wir brauchen keine Nazis, um diesem Stadtteil den Rest zu geben. Das können wir schon ganz alleine.

von Kersten Flenter

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