Lindemann & Stroganow

Hans-Jörg Hennecke und Kersten Flenter

Video: Christine Kraatz-Risch - Musik: Wohnraumhelden

Arbeit lohnt sich!

von Kersten Flenter

„Ich meine, würden Löhne gezahlt werden, von denen man auch leben kann, wäre Erwerbsarbeit eventuell eine Alternative.“ „Das kann ich nicht drucken“, sagt mein Verleger, „das ist ein Plagiat. Du schreibst von dir selber ab. Das hier hast du vor –zig Jahren schon mal geschrieben.“ „Na und?“, motzte ich, schlimm genug, dass sich diese Tiraden wiederholen.“
Damals war gerade die neue Schröder-Regierung dran, und auch von dorten (lassen Sie mich bitte dieses schöne antiquierte Wort verwenden, wenn wir eh schon bei antiquierten Aussagen sind) ertönte dieselbe unerträgliche Leier, wie sie heute Rechtsaußenguido et. al. sich nicht entblöden zu verkünden.
Aber lassen Sie mich ein wenig in der Geschichte zurück gehen. Wir erinnern uns an die Worte des großen Sozialphilosophen Erwin Kostedde (80 Treffer für Kickers Offenbach), der da sagte: „Ich möchte nie mehr arbeiten, sondern nur noch am Tresen stehen und saufen.“ Glücklicherweise sagte Kostedde, zumal noch Randgruppenangehöriger, dies zu einer Zeit, als er noch Arbeit hatte. Heute riefe er, als moderner Hartz IV Performer, mit solchen Aussagen gleich den geckhaften Guido auf den Plan. Westerwelle behauptet ja von sich, er würde nur aussprechen, was alle Politiker wüssten, aber sich nicht trauten zu sagen. Tatsächlich hat das Heiner Geissler getan – der hat ausgesprochen, dass wir einen Esel zum Außenminister gemacht haben. (Kaum zu glauben, dass das heutige Attac-Mitglied Geissler einmal selbst zu den größten Bullshit-Verzapfern der Nation gehört hat, oder? Erinnert sich noch jemand? Na, wahrscheinlich genauso wenige wie sich an Kostedde erinnern!). Das aber wissen nicht nur alle Politiker, sondern die ganze Nation.
Der Ansatz ist so billig – man nimmt den einen Skandal, die betrieblichen Hungerlöhne, von denen ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung dieses Landes nicht mehr leben kann, und nutzt diesen tatsächlich als Rechtfertigung für den Versuch, dem höchsten Souverän des Staates das Existenzminimum zu entreißen. „Arbeit muss sich wieder lohnen, natürlich, aber doch nicht so.“ Ich kenne eine Arbeit, die sich lohnen würde, nämlich die Arbeit daran, dem Dummschwätzer endlich das Sprechen zu verbieten. Bei Gott, ich wünschte, diese hysterische Zicke würde endlich die Fresse halten, fürchte aber, der hat noch lange nicht alles gesagt. „Ganz klar, rektale Injektion einer Überdosis Volksverhetzung“, würde Stroganow jetzt sagen, aber der hat zum Glück heute frei.

Alarm: Wir sterben aus!

Von Hans-Jörg Hennecke

„Lindemann; haben Sie das gelesen? Wir Deutsche sterben aus. Nach dem Orang-Utan und der Schattenmorelle ist der Deutsche die am meisten bedrohte Lebensform.“ Dramatisch schwenkte Stokelfranz seine plakativ gestaltete Tageszeitung. „Und was tut ihr vom Amt? Natürlich nichts.“
„Was sollen wir denn machen“, winkte Lindemann müde ab. „Kinder? Vielleicht macht es einfach keinen Spaß mehr, Deutscher zu sein.“
„Das stellt sich erst im Sommer in Südafrika heraus, wenn der Ball rund ist und das Spiel 90 Minuten dauert“, belehrte Stokelfranz den Beamten. „Da kann man sehen, welche Verantwortung auf Ballack, Gomez und Klose lastet“, erwiderte der voller Unbehagen.
„1954 waren wir auch Weltmeister“, mischte sich Oma Kasten aus dem ersten Stock in vermeintlich taufrischer Erinnerung ein. „Und danach kam ein reicher Baby-Segen. Die hießen alle Fritz, einige auch Helmut. Damals gab es noch kein Internet und keine Satelliten, da war die Welt noch in Ordnung.“
„Ja, und das Brötchen kostete fünf Pfennig“, ergänzte Stokelfranz, der diese Weisheit von seiner Oma erfahren hatte, die seither keine Brötchen mehr zu aktuellen Preisen kaufen mochte. „Tatsächlich“, bestätige Oma Kasten, „deshalb reicht meine Rente auch hinten und vorne nicht.“ Stokelfranz nickte beim Gedanken an seine Hartz IV-Einkünfte. „Alles hängt mit allem zusammen. Vielleicht liegt es an den Brötchenpreisen, dass hier der Nachwuchs ausgeht.“
„Unsinn“, widersprach Lindemann. „Die meisten Kinder gibt es da, wo die Menschen am wenigsten zu beißen haben. Schauen Sie nach Afrika, Asien oder Lateinamerika.“ „Was kosten da die Brötchen?“, wollte Oma Kasten wissen, doch die Männer hörten mal wieder nicht auf sie. „Da wird noch auf Rom gehört und die Pille geschmäht“, meinte Lindemann. „Bei uns ist die Pille längst Grundnahrungsmittel.“
„Mehr Kinderwagen in Linden und die Frage nach Hochbahnsteigen läuft Amok. Dann wird die ganze Limmerstrasse mit diesen Monstern zugeballert.“ Stokelfranz schüttelte sich, doch Lindemann blieb unbeirrt: „Besser als Aussterben. Denken Sie an die Dinosaurier.“ Stokelfranz zuckte zusammen. „Sind die an Hochbahnsteigen gescheitert?“ Das wusste Lindemann auch nicht so genau und lenkte deshalb den Blick entschlossen nach vorn. „Warten wir es ab. Vielleicht werden wir im Sommer Weltmeister. Weltmeister sterben nie aus.“ Stokelfranz stutzte: „Und die Kinder heißen dann alle Miroslav?“

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